Wenn Strom und Gas zur finanziellen Hürde werden – Energiepreise im 2. Halbjahr 2024
- Oktay Civek
- 21. Mai
- 3 Min. Lesezeit
Energie gehört zu den Grundbedürfnissen – doch für Millionen wird sie zunehmend zum Luxus.“

Eine unterschätzte Kostenfalle
Die Versorgung mit Strom und Gas ist essenziell für modernen Lebensstandard: Kochen, Heizen, Licht, Kommunikation, Mobilität – ohne Energie geht nichts. Doch im 2. Halbjahr 2024 zahlten private Haushalte in Deutschland im Schnitt 12,28 Cent pro Kilowattstunde (kWh) Erdgas. Verglichen mit den 11,87 Cent im 1. Halbjahr 2024 entspricht das einem Anstieg um 3,5 % (Statistisches Bundesamt). Strom verteuerte sich ebenfalls, wenn auch moderater: 41,20 Cent/kWh gegenüber 41,02 Cent im Vorquartal, ein Plus von 0,4 % (Statistisches Bundesamt).
Diese Preisentwicklung mag auf den ersten Blick moderat wirken – doch sie trifft alle. Wer einen Jahresverbrauch von 2 500 bis 5 000 kWh hat, zahlte pro Jahr rund 200 € mehr für Strom allein. Für ein Einfamilienhaus mit einem Verbrauch von 20 000 kWh Gas entspricht die Erhöhung fast 2 700 € Mehrkosten jährlich. In einer Zeit, in der Lebenshaltungskosten in nahezu allen Bereichen steigen, werden steigende Energiepreise zur zusätzlichen Belastung.
1. Entwicklung der Gaspreise im Detail
Verbrauchsgruppe (GJ/Jahr) | 1. Hj. 2024 (Cent/kWh) | 2. Hj. 2024 (Cent/kWh) | Veränderung |
unter 20 GJ | 15,38 ¢ | 15,95 ¢ | +3,7 % |
20–200 GJ | 11,98 ¢ | 12,38 ¢ | +3,3 % |
über 200 GJ | 10,75 ¢ | 10,88 ¢ | +1,2 % |
Durchschnitt privater Haushalte | 11,87 ¢ | 12,28 ¢ | +3,5 % |
Steuern und Umlagen stiegen um 33,7 %, bedingt durch Wegfall des reduzierten Mehrwertsteuersatzes und die erhöhte Gasspeicherumlage.
Energie- und Vertriebskosten fielen dagegen um 8,6 %, weil Versorger angesichts der hohen Einkaufspreise ihre Margen anpassten (Statistisches Bundesamt).
1.1 Vergleich zum Vorjahr und Vorkrisenniveau
Gegenüber dem 2. Hj. 2023 lagen die Preise 7,6 % höher.
Im Vergleich zur Zeit vor der Energiekrise (2. Hj. 2021) haben sich die Gaspreise fast verdoppelt (+79,8 %) (Statistisches Bundesamt).
2. Strompreise: Kleine Steigerung mit großer Wirkung
Verbrauchsgruppe (kWh/Jahr) | 1. Hj. 2024 (¢/kWh) | 2. Hj. 2024 (¢/kWh) | Veränderung |
unter 1 000 kWh | 58,03 ¢ | 58,87 ¢ | +1,4 % |
1 000–2 500 kWh | 44,23 ¢ | 44,33 ¢ | +0,2 % |
2 500–5 000 kWh | 39,51 ¢ | 39,43 ¢ | –0,2 % |
5 000–15 000 kWh | 36,11 ¢ | 36,14 ¢ | +0,1 % |
über 15 000 kWh | 34,53 ¢ | 33,70 ¢ | –2,4 % |
Durchschnitt privater Haushalte | 41,02 ¢ | 41,20 ¢ | +0,4 % |
Netzentgelte legten um 4,5 % zu und trieben so den Gesamtpreis minimal nach oben.
Energie- und Vertriebskosten sanken leicht um 2,4 %, resultierend aus günstigeren Großhandelspreisen (Statistisches Bundesamt).
2.1 Vergleich mit Nicht-Haushalten
Gewerbliche Abnehmer mussten 4,2 % mehr zahlen als im 1. Hj. 2024, während Nicht-Haushalte bei Erdgas 5,1 % höhere Preise verkraften mussten. Große Industrieabnehmer profitierten allerdings von Mengenrabatten und zahlen heute noch 20,6 % unter dem Vorkrisenniveau von 2021 (Statistisches Bundesamt).
3. Wer spürt die Preissteigerungen am stärksten?
3.1 Haushalte mit geringem Einkommen
Gerade einkommensschwache Familien und Senioren können zusätzliche 100–200 € pro Jahr für Energie nicht einfach ausgleichen. Laut Destatis fühlen sich 12 % der Alleinstehenden in dieser Gruppe finanziell stark belastet.
3.2 Große Verbraucher
Mehrpersonenhaushalte (über 5 Personen) verbrauchen häufig mehr als 5 000 kWh Strom und 200 GJ Gas. Eine Steigerung von nur 0,4 % beim Strom kostet diese Haushalte bis zu 300 € mehr jährlich.
3.3 Alte Häuslemänner
Hausbesitzer mit Ölheizung, die nun auf Erdgas umstellen, tragen zusätzliche Investitionskosten, während Mieter oft „nur“ mit den Betriebskosten konfrontiert werden.
4. Ursachen im Überblick
Inflation und Mehrwertsteuer: Seit April 2024 gilt wieder der reguläre Mehrwertsteuersatz auf Gas (19 %) statt 7 %.
Gasspeicherumlage: Ab Juli 2024 stieg die Umlage zur Refinanzierung gefüllter Speicher stark an.
Marktdynamik: Globale Lieferengpässe, Klimaschutzauflagen und geostrategische Unsicherheiten treiben Preise.
Netzausbau: Verzögerte Investitionen in Infrastruktur erhöhen Netzentgelte.
5. Folgen der steigenden Energierechnungen
Soziale Härten: Manche Haushalte müssen zwischen Heizen und Essen abwägen.
Gesundheitliche Risiken: Unterkühlte Wohnungen führen zu Atemwegserkrankungen.
Verdrängung: Energierationierung in Gebäuden, städtische Armutshotspots.
6. Handlungsempfehlungen für Verbraucher
Tarifwechsel prüfen: Jährlich den Anbieter wechseln spart bis zu 200 € pro Jahr.
Energiemanagement: Effiziente Geräte, Thermostatprogrammierung, Dämmelemente.
Förderprogramme: KfW-Programme für Heizungsaustausch & Dämmung nutzen.
Verbrauchsüberwachung: Smart Meter installieren lassen.
7. Politische Maßnahmen und Ausblick
Steuerentlastung: Temporäre Senkung der Energiesteuer auf Gas.
Sozialtarife: Einführung eines Grundkontingents zu Sozialpreis.
Infrastrukturförderung: Beschleunigter Netzausbau und grüne Gasspeicher.
Fazit
Die 3,5 %-Steigerung bei Gas und 0,4 %-Steigerung bei Strom im 2. Halbjahr 2024 sind Warnsignale. Gesamtgesellschaftlich werden diese Kosten auf Jahre hinaus den Lebensstandard belasten. Kurzfristige Entlastungen müssen Hand in Hand gehen mit nachhaltigen Investitionen in Energieeffizienz und erneuerbare Versorgungsstrukturen. Nur so bleibt Energie ein Grundrecht statt eines Luxusguts.
Quellen:
Destatis: „Gaspreise für Haushalte im 2. Halbjahr 2024 um 3,5 % gestiegen“ (Pressemitteilung Nr. 123/31.03.2025) (Statistisches Bundesamt)
Eurostat: EU-Vergleich der Energiepreisindizes 2024
KfW-Bankenstudie „Energieeffizienz im Wohnungsbau“ 2023
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